Karl Poppers Staatstheorie
Ein Beitrag von Helge Wilhelm
„Der Begriff der 'Offenen Gesellschaft' ist zu einem geflügelten Wort geworden. Er geht zurück auf den französischen Philosophen Henri Bergson, doch war es der österreichische Brite Karl Popper, der ihn mit Leben füllte. Auf ihn, diesen Hofphilosophen der freien Welt, berufen sich immer wieder Wirtschaftkapitäne, Religionsführer, Kaiser und Präsidenten.“ (Nasher, 2017, Vorwort).
Jedes Schulkind in der angloamerikanischen Welt hat zumindest schon einmal etwas von der „open society“ gehört. Außerhalb des englischen Sprachraums aber schwindet Poppers Bedeutung. Wie kann das sein? Wie konnte es dazu kommen, dass Popper, ein Österreicher, in der englischsprachigen Welt als Koryphäe der Demokratietheorie fester Bestandteil des Diskurses ist und anderswo kaum eine Rolle spielt?
Es hat sicherlich viel mit dem Leben Poppers zu tun. Vor dem Faschismus auf die andere Seite der Welt, nach Neuseeland, geflüchtet und später nach England emigriert, hat Popper sein entscheidendes Werk auf Englisch für eine ganz andere Zielgruppe geschrieben als für Kontinentaleuropäer. Erst deutlich später wurden seine Ideen in andere Sprachen übersetzt.
Es mag wohl aber auch mit den geradezu diametral entgegenstehenden Vorstellungen von Demokratie zu tun haben, die in der anglophonen Welt vorherrschen und sich nur schwer mit denjenigen Kontinentaleuropas vereinen lassen, welche noch heute zu Verwirrung und Frustration bei Themen wie Brexit, Trump, Atomkraft oder Verteidigungs- und Außenpolitik führen.
Mit anderen Worten: man versteht Karl Popper nicht recht, weil man seine Warte, aus der heraus er schreibt, gar nicht kennt und mit der man auch (gerne) fremdelt, da am Ende des Tages doch jeder selbst seine Form der Demokratie (und der entsprechenden Gesellschaftsform, die daraus erwächst) für überlegen hält und man sich nur ungern mit anderen Herangehensweisen auseinandersetzt. So schön kann status quo sein.
In diesem Text soll es aber genau darum gehen. Er soll einen Beitrag dazu leisten, Karl Poppers Staatstheorie übersichtlich und systematisch zusammenzutragen, um das Verständnis zu erleichtern. Dabei orientiert sich der Text an Jack Nashers Buch „Die Staatstheorie Karl Poppers – Eine kritisch-rationale Methode“.
Das Hume’sche Induktionsproblem und das Abgrenzungskriterium
In Karl Poppers jungen Jahren waren die Ideen des „Wiener Kreises“ die in der Wissenschaftstheorie vorherrschenden Lehrmeinungen. Demgemäß ginge es in der Wissenschaft um „Verifikation“ durch Beobachtung. Soll heißen: Wenn man eine bestimmte Beobachtung nur oft genug gemacht hat, dann ist die zugrunde liegende Theorie auch mit großer Sicherheit richtig.
Popper hielt diese Sichtweise für unhaltbar, da nur eine gegenteilige Beobachtung jeglicher Theorie sofort den Garaus machen würde. Beobachtungen zur Bestätigung sind also vollkommen gehaltlos. Wer nach Erkenntnis strebe, müsse also nach Falsifikation suchen. Denn wer das Gegenteil beweisen kann, hat einen viel höheren Erkenntnisgewinn und kann an seiner Theorie bestehende Fehler ausmerzen. Für Popper drehte sich alles immer um Fehlerereliminierung, denn wer Fehler findet und beseitigt, der hat Erkenntnis gewonnen.
Der Wiener Kreis beschäftigte sich auch intensiv mit der Frage, was Wissenschaft ausmacht. Er legte fest, es gebe eine Abgrenzung von Wissenschaft und Unsinn anhand von Verifizierbarkeit. Was also verifizierbar ist, ist wissenschaftlich. Alles andere ist Unsinn. Für Popper aber galt ja, dass Verifizierbarkeit keinen Sinn macht, so auch diese Sichtweise. Popper schied Wissenschaft nicht von Unsinn, sondern einfach von Nicht-Wissenschaft und führte zwei Kriterien an, um diese Unterscheidung zu machen:
Diese Sichtweise Poppers auf die Wissenschaft hat er in abgewandelter Form auch auf seine politischen Theorien angewendet. Poppers Staatstheorie orientiert sich immer an den Grundsätzen der Wissenschaftlichkeit, wie er sie verstanden hat. Seine Kritiker haben ihm dies auch stets zum Vorwurf gemacht. Für Popper handelt eine ideale Gesellschaft nach kritisch-rationalen Methoden, es handelt sich also um eine ganz und gar „verwissenschaftlichte“ Gesellschaft und Politik. Alles Irrationale und Unerklärliche oder auch schwer Verständliche spielt bei Popper keine Rolle, da er diese Dinge kategorisch ablehnt. Damit kommen Dinge wie Religion, Ideologie, Mentalitäten oder Gefühle, aber auch Dinge wie Kultur oder Tradition bei Popper nicht wirklich vor. Wenn überhaupt, dann als Gegenspieler der von ihm entworfenen „offenen Gesellschaft“. Seine Kritiker hielten und halten diesen Ansatz für weltfremd und werfen ihm vor, damit genauso einer Utopie nachzujagen, die er doch so sehr abzulehnen scheint.
Dem muss man allerdings entgegenhalten, dass Karl Popper sich nicht als politischen Philosophen verstanden hat, sondern als Naturwissenschaftler. Er hat nie von sich behauptet, Politikwissenschaftler zu sein, und damit hatte er auch nie den Anspruch, eine in sich kohärente Idee von einer besseren Welt formuliert zu haben. Auch Jack Nasher hat den Inhalt seines Buches, welches hier noch einmal übersichtlich dargestellt werden soll, aus verschiedenen Werken Poppers zusammengetragen. Karl Poppers Ideen zur Politik sind nicht aus einem Guss und auch nicht gleichzeitig entstanden. Sie als „die Ideen Karl Poppers zu Politik, Staat und Gesellschaft“ zu betrachten ist daher fehlgeleitet. „Karl Poppers Staatstheorie“ ist der Versuch einer Draufsicht auf das Lebenswerk eines der bedeutendsten Wissenschaftler seiner Zeit und keine parteipolitische Gemeinwohlkonzeption.
Wer Karl Popper verstehen will, muss sich also seinen Wissenschaftstheorien, seiner eigentlichen Leidenschaft, widmen. Wer seine politischen Ideen verstehen will, muss die vier Säule seiner Staatstheorie genauer betrachten: „seine Betrachtung des Totalitarismus, die Stückwerk-Sozialtechnik, seine Demokratietheorie und seine Theorie zur Stammesromantik“ (Nasher, 2017, S. 35).
Der Ursprung allen Übels: Historizismus, Holismus, Utopie und Totalitarismus
Karl Poppers politische Überzeugungen können eigentlich so zusammengefasst werden: es geht um die Entzauberung der großen Namen, der Anführer. All das habe nur zu totalitären Systemen geführt, die nur Leid über die Menschen gebracht haben. Poppers Werke können als Dekonstruktion der großen Ideen verstanden werden, in denen die Menschen auf das große Ziel eingeschworen werden, für dessen Umsetzung sie bereit sein müssten, alles zu geben.
Dem zugrunde liegt Poppers Annahme, alle diese großen Führer mit ihren großen Ideen hätten stets behauptet, den Schlüssel zur Geschichte gefunden zu haben. Seien es die Nazis, die den Schlüssel zur Geschichte im Kampf der Rassen meinten ausgemacht zu haben, oder seien es die Kommunisten, welchen den Schlüssel zur Geschichte im Kampf der Klassen meinten ausgemacht zu haben. Allen diesen schrecklichen Ideologien liegt zugrunde, dass ihre Wortführer glaubten zu wissen, warum die Geschichte der Menschheit so verlaufen ist, wie sie verlaufen ist und welches denklogische und unvermeidliche Ziel die Geschichte haben wird. Diese Art, sich die Geschichte herzuleiten, nannte Popper „Historizismus“. In ihm sah er die Wurzel allen Übels. Nicht nur weil er es für hochmütig und dem Menschen unmöglich betrachtete, die Komplexität der Geschichte begreifen zu können, sondern weil er darin auch den Ursprung des Totalitarismus ausgemacht hatte.
Es gab für ihn eine Art Schnellstraße hin zum Totalitarismus. Alles fängt damit an, dass behauptet wird, man habe den Schlüssel zur Geschichte gefunden, indem man damit beginnt, die Gesellschaft gleich einem Organismus als ein großes Ganzes zu verstehen. Dies nannte Popper Holismus. Der Holist fährt damit fort, indem er seinen Holismus in praktische Handlungsschemata überträgt, wie also die schöne neue Welt zu erreichen sei. Dies nannte Popper die Utopie. Zu guter Letzt macht sich die Person oder Gruppe nun ans Werk, und da man ja die perfekte Gesellschaft griffbereit vor sich hat, kann es also auch keine Opposition geben, jedenfalls keine legitime, ethisch und moralisch anzuerkennende Opposition. Daher steht es jenen, die die Wahrheit erkannt haben, frei, jeden auszuschalten, der sich der Umsetzung der Utopie entgegenstellt. Damit sind wir laut Popper beim Totalitarismus angelangt.
Für Popper zeichnet sich der Totalitarismus durch eine „für alle geltende Glückseligkeit“ (Nasher 2017, S. 40) aus. Es ist das Ziel, alle Menschen gleichermaßen und in umfassender Weise „glücklich“ zu machen. Für Karl Popper lag darin die große Hybris aller großen Anführer und ihrer großen Ideen. Alle diese Ideologien sind genau an dieser Stelle zum Scheitern verurteilt. Wenn man alle Menschen, zu jeder Zeit, auf allen Ebenen glücklich machen will, muss man nun zwangsläufig den Verlauf der Geschichte vorhersagen können. Man muss also wissen, dass Facebook, Google und Co. eines Tages aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Dies ist selbstredend völlig unmöglich und für Popper auch gar nicht erstrebenswert. Es führe zu „Intoleranz, religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition.“
Wir können nicht wissen, was unser Gegenüber glücklich macht, daher sollen wir es auch gar nicht erst versuchen. Das Einzige, was der Mensch tun kann, ist sich konkreten Missständen zuzuwenden und diese versuchen zu lösen. Laut Popper können wir nicht wissen was andere glücklich macht, aber wir können sehr wohl sehen, was anderen Menschen Leid zufügt, wir sehen Ungerechtigkeit. Diesen Dingen können wir uns ganz konkret zuwenden und damit Leid verhindern. Das Leid verhindern, nicht das Glück suchen und für andere Menschen bestimmen, was deren Glück zu sein hat, das ist einer der Kernpunkte für Karl Popper. Andere glücklich machen zu wollen, gehe häufig mit einer unzumutbaren Verletzung der Privatsphäre einher. Leid aber zu verhindern, ist in einer offenen Gesellschaft absolut geboten, da es für Popper ja stets um das Ausmerzen von Fehlern geht. Leid, wenn man so will, ist ein solcher Fehler, der behoben werden kann.
Wer den Schlüssel zum Glück in den Händen hält, verbittet sich jegliche Kritik. Doch in einer offenen Gesellschaft ist Kritik, das offene Ansprechen dessen, was einem nicht gefällt, einer der entscheidenden Unterschiede zu einem totalitären, geschlossenen System.
Poppers Stückwerk-Sozialtechnik
Karl Popper sprach sich offen für die „Einheit der Methode von Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften“ (Nasher 2017, S. 48) aus. Die großen Erfolge der Naturwissenschaften sah Popper in ihrer Methodik begründet. Diese Methodik wollte Popper auch auf die Sozialwissenschaften anwenden und machte das Fehlen dieser Methodik für die Rückständigkeit der Sozialwissenschaften verantwortlich.
Laut Popper würden die Sozialwissenschaftler, ganz nach Platon, hoch-philosophische Fragen stellen, wie etwa „Was ist der Staat?“ oder „Was ist der Bürger?“, die aber keinerlei Mehrwert bringen würden, da die Mehrheit sozialer Institutionen natürlich gewachsen sind und nur eine Minderheit selbiger planvollem, menschlichen Handelns zu verdanken sind. Die Geisteswissenschaften sollten sich dem „Nominalismus“ (Nasher, 2017, S. 49) der Naturwissenschaften anschließen und nicht mehr länger versuchen, das Wesen der Dinge zu ergründen.
Laut Popper führt nur die Methode von Versuch und Fehlerausmerzung (trial and error) zu Erkenntnisgewinn. Diese den Naturwissenschaften eigene Methode sollte laut Popper auf alle anderen Bereiche der Wissenschaft und auch auf die Politik ausgeweitet werden. In der Politik bezeichnet er die Anwendung als Stückwerk-Sozialtechnik. Dasbedeutet, dass die politisch Verantwortlichen nur solche Veränderungen vornehmen, bei denen sie die Folgen nachvollziehen und unintendierte Nebenwirkungen korrigieren können.
Soll heißen, der Politiker geht in inkrementalistischer Art und Weise an sein Werk und versucht eben nicht große Visionen oder Projekte, deren einzelne Auswirkungen niemand mehr mit den ursprünglichen, einzelnen Maßnahmen, zum Beispiel einzelnen Gesetzen und Verordnungen, logisch verbinden kann. Es soll möglich werden, eine Art Reiz-Reaktions-Schema sichtbar werden zu lassen, um genau nachvollziehen zu können, welche Maßnahme welchen Effekt hatte, und so soll es möglich werden, Fehler schnell und effizient auszumerzen.
Popper bezeichnete diese Art, Politik zu betreiben, tatsächlich als ein ständiges „Herumbasteln“. Politiker sollen probieren, verwerfen und neu probieren können. Politik soll in mundgerechten Stücken gemacht werden, sodass stets jede Maßnahme nachvollziehbar und veränderbar bleibt. Diese Art des Politikmachens soll dabei kein Plädoyer für eine ideologisch konservative Politik sein. Auch der Stückwerk-Sozialtechniker darf hochfliegende Pläne haben, er muss sich aber im Klaren sein, dass solche Pläne nicht immer unmittelbar umsetzbar sind.
Er muss seine Idee in kleinen Schritten, also Stück für Stück, umsetzen, auch um der Tatsache willen, dass seine Idee nun vielleicht unterschiedliche Ressorts wie die Bildungs- oder die Wirtschaftspolitik betreffen und von daher auch gesondert behandelt werden sollten. So behält auch ein aktiver, emanzipatorischer Stückwerk-Sozialtechniker den Überblick, ohne seinen Ideen zur Verbesserung der Gesellschaft untreu werden zu müssen oder sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, er sei nicht progressiv genug.
Ohne eine offene Diskussionskultur kann es aber keine Stückwerk-Sozialtechnik geben. Es ist für ihre praktische Umsetzung unabdingbar, dass offen und regelmäßig möglichst viel Kritik geübt wird. Nur so dringen unerwünschte Nebenfolgen oder Konsequenzen, die zu Beginn überhaupt nicht antizipiert wurden, zu den Politikern durch, welche dazu berufen sind, diese Fehlermeldungen zu analysieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Popper beschreibt diese Form der Herangehensweise als zwar nicht besonders ästhetisch, aber dafür können so die Folgen der eigenen Politik abgesehen und korrigiert werden. Der Ästhetiker, der ganz im Sinne Platons Politik als eine Kunstform betrachtet und der die Welt von allem Hässlichen zu befreien strebt, dem wird diese Technik nicht viel zu bieten haben. Seine Herangehensweise, eine „tabula rasa“ zu erschaffen, kann laut Popper aber nur durch Grausamkeit erreicht werden, da wer solche Politik machen will, alles ausmerzen muss was nicht in die schöne, neue Welt passt: „Er muss reinigen, austreiben, deportieren und töten“ (Nasher 2017, S. 57). Auch wenn Popper bemerkt, dass auch ihm dieser Trieb nicht fremd ist, so empfiehlt er doch dem Künstler, sich ein anderes Material als den Menschen zu suchen.
Popper über die Demokratie
Es ist überaus bemerkenswert, dass Popper zwar ein glühender Demokrat ist, aber weder die Demokratie noch den Staat für etwas besonders „Vornehmes“ hält. Für ihn ist der Staat eine zweckrationale Beziehung der Menschen untereinander. Der Staat erfüllt eine Aufgabe, er ist nicht Aufgabe an sich, nichts Höheres, kein Selbstzweck. Der Staat hat sich als etwas Nützliches, Effizientes herausgestellt und nur als das. Daher lehnt Karl Popper jegliches Podest für den Staat ab.
Auch seine Vorstellungen zur Demokratie sind keineswegs solche der Verklärung oder Bewunderung. Für Popper ist die Demokratie, ganz nach Winston Churchill, die „schlechteste aller Regierungsformen, mit der alleinigen Ausnahme aller anderen Regierungsformen“. Sie erfüllt den alleinigen Zweck, die „notwendige Macht zu kontrollieren“ (Nasher 2017, S. 62).
Für ihn ist auch das Wort Demokratie irreführend. Es suggeriere, dabei handele es sich um eine Herrschaft des Volkes. Davon kann aber keine Rede sein. Nie habe sich das Volk in irgendeiner Weise selbst regiert. Es gehe darum, die Herrschenden mit der Drohung der Absetzung so zu beeinflussen, dass sie im Sinne des Volkes regieren. Es geht also im Kern nicht darum, dass das Volk regiert, sondern darum, eine Tyrannei zu verhindern.
Karl Popper hält die Aussage, die schon in der Schule gelehrt wird, nämlich, dass wir in einer Volksherrschaft leben, für gefährlich. Es stimme nämlich einfach nicht. Wenn nun also die Kinder dies aber so lernen und im späteren Leben feststellen, dass dies eine Lüge sei, könne dies bis in den Terrorismus führen. Popper hält auch nichts davon, den Aberglauben aufrecht zu erhalten, dass das Volk, die Majorität, nicht falsch liegen könne. Für Popper, so könnte man sagen, besteht kein großer Unterschied zwischen der Tyrannei eines Einzelnen und der Tyrannei der Mehrheit.
Popper sieht die Tyrannei als die ständige Bedrohung, derer sich offene Gesellschaften ausgesetzt sehen. Demokratie ist das Bestiarium, das die Macht gefangen hält, die ständig drohe, in ihrer schlimmsten Form auszubrechen. In der Demokratie liege der Schlüssel zur Kontrolle von Macht. Ohne sie gehe es nicht, da sonst das Recht des Stärkeren gelte und man so nicht zusammenleben könne. Popper steht hier ganz in der klassisch liberalen Tradition, die den Staat als notwendiges Übel ansieht.
Für Karl Popper geht es in der Demokratie also um das Einhegen der Herrschenden. Niemand solle die Möglichkeit haben, absolute Macht im Staat auszuüben. Gelingen soll dies dadurch, dass Macht nur in einen institutionellen Rahmen ausgeübt werden darf. Popper spricht sich für starke Institutionen aus. Damit meint er einen sehr weit gefassten Begriff von Institutionen. Für ihn schließt das zum Beispiel auch Unternehmen oder Schulen ein, die daran beteiligt sind, die Macht einzudämmen und in Bahnen zu lenken, die die Mächtigen nicht korrumpieren und die helfen, eine Tyrannei zu verhindern.
Bedauerlicherweise hat sich eine ganz entscheidende Idee Platons bisher nicht diskreditieren lassen können als das, was sie im Kern eigentlich ist und die für Popper eine große Gefahr für die offene Gesellschaft darstellt, nämlich die Frage: Wer soll herrschen? Diese Frage führe unweigerlich in die idealistische Suche nach dem „Besten, dem Weisesten“ unter uns und damit eigentlich auch schon in die Suche nach dem „Führer“ als dem einen, der weiß, was gut und richtig ist, und der bereit ist, die Dinge anzupacken und die Welt zu verbessern. Für Popper geht es aber nicht um das „Wer?“ sondern um das „Wie?“ von Herrschaft. Die platonische Frage nach dem „Wer?“ ist also diametral zu dem, was sich Popper vorstellt, wie Politik ablaufen sollte.
Ein entscheidender Punkt für Popper ist auch, dass die Wahl nicht als Vertrauensvorschuss für die neue Regierung, sondern vielmehr als ein Gericht über die alte zu gelten hat. Für Karl Popper ist eine Wahl der Richterspruch des Volkes darüber, ob die Regierung zur Zufriedenheit des Volkes regiert hat und bleiben kann oder ob sie zu gehen hat. Das ist für ihn das Wesen der Demokratie, dass ein Regierungswechsel ohne Blutvergießen vonstatten geht.
Der Übergang zur offenen Gesellschaft und die Sehnsucht nach dem Stamm
Unter (dem Ursprung) einer Stammesgesellschaft versteht Karl Popper kleine, primitive Kriegerbanden, die für gewöhnlich in befestigten Siedlungen lebten und von Häuptlingen, Königen oder aristokratischen Familien regiert wurden. In ihnen gelte ein „Zauberkreis“ aus „unveränderlichen Tabus, Gesetzen und Sitten“ (Nasher 2017, S. 83), die für ebenso naturgegeben angesehen werden wie der Kreislauf der Sonne. In solchen geschlossenen Gesellschaften werden menschengemachte Normen und Werte mit den Gesetzen der Natur gleichgesetzt und dementsprechend auch nicht kritisch hinterfragt.
Erst im Austausch mit anderen Völkern ist diesen Gesellschaften überhaupt bewusst geworden, dass ihre, als naturgegeben angesehenen, Gebräuche nicht mehr sind als von ihnen erschaffene Konventionen, welche veränderbar sind und um des Fortschritts Willen auch verändert werden müssen. Dieser Prozess des Aufbrechens von Tabus ist der erste Schritt in die offene Gesellschaft. Zum ersten Mal ist Kritik und Rationalität nicht nur erwünscht, sondern notwendig - eine Kernthese der offenen Gesellschaft nach Karl Popper.
Für Popper sind wir aber erst am Anfang unserer langen Reise in die offene Gesellschaft. Mit dem Wegfallen fest zugewiesener Positionen in der Gesellschaft haben wir uns ein großes Stück Freiheit erarbeitet, doch eben jene Freiheit stellt für viele auch eine große Last dar. Zum ersten Mal müssen sie erkennen, dass sie im Leben alles erreichen können, dafür aber auch selbst für ihr Leben verantwortlich sind. Gerade für die Schwächsten der Gesellschaft ist dies eine erdrückende Aufgabe geworden. Ganz besonders der Wegfall der Religion als Richtschnur hat viele Menschen schwer erschüttert. Mit der Erkenntnis, dass sie die Erde selbst regieren müssen, kommen viele Menschen einfach noch nicht zurecht. Von diesem Schock müsse sich die Menschheit erst noch erholen, bevor sie weitergehen kann in Richtung einer offenen Gesellschaft. Daher sieht Karl Popper unsere Gesellschaften nach wie vor als anfällig an für die Sehnsucht nach der Geborgenheit des Stammes (z.B. Nationalismus).
Praktische Anwendung
Unter dem Eindruck der „Bonner Wende“ 1982 hat Karl Popper seine Demokratietheorie einmal praktisch angewendet, am Beispiel des Proportionalitätswahlrechts. Popper äußert zwei Kritikpunkte. Erstens ist im Proportionalitätswahlrecht der Politiker nicht dem Wähler verantwortlich, sondern seiner Partei. Sie hat ihn schließlich aufgestellt zur Wahl und sie entscheidet darüber, ob er bleibt. Damit kommt es zur berühmten Fraktionsdisziplin: Politiker stellen sich so gut wie nie gegen ihre Partei, da ihre Loyalität nicht (nur) dem Wähler gilt, sondern der Parteiführung. Der Bundestag bilde also nicht den Willen des Volkes ab, sondern die Effektivität der Wahlkampfstrategie.
Zweitens macht das Proportionalitätswahlrecht die Wahl und Abwahl der Regierung schwieriger. In einem solchen System ist die Regierung beinahe immer eine Koalitionsregierung, sie tut also nicht das, was "das Volk" will, sondern sie tut das, was im Koalitionsvertrag steht. Eine solche Regierung kann auch nicht zur Verantwortung gezogen werden, da niemand so wirklich verantwortlich ist. Darüber hinaus ist es auch schwierig, eine solche Regierung loszuwerden (Poppers Kernkriterium für eine Demokratie). Der große Koalitionspartner sucht sich einfach einen neuen Partner und schon ist der alte Kanzler auch der neue.
Wenn nun also, im Popperschen Sinne, das Volk über seine Regierung zu Gericht sitzen will und beschließt, dass der Kanzler und seine Entourage zu gehen haben, so ist dies im Proportionalitätswahlrecht viel schwieriger als im Mehrheitswahlrecht, wo eine Partei gewinnt und die andere verliert. Es kommt zu einem einfachen und unkomplizierten Wechsel an der Regierung. Dieser Wechsel ist notwendig, um selbstkritische Prozesse in den Parteien in Gang zu setzen, damit es nicht zur Stagnation im politischen System kommt. Daher hatte sich Popper auch stets für das winner-takes-all-Prinzip der angelsächsisch geprägten Demokratie ausgesprochen.
Persönliches Fazit
Für mich ist Karl Popper einer der interessantesten Menschen, über die ich je etwas gehört habe. Es kommt selten vor, dass ich vor einer politischen Theorie sitze und nicht denken muss, wie furchtbar es wäre, wenn jemand tatsächlich auf die Idee kommen würde, das umzusetzen, was ich gerade gelesen habe. Bei Popper hatte ich diesen Eindruck nie, weil er keine Utopie verfasst hat.
Ich stimme seinen Kritikern an dieser Stelle nicht zu. Popper hat keine "liberale Utopie" verfasst, er hat sie alle entlarvt. Er hat sichtbar gemacht, was unweigerlich die Folge davon ist, wenn man meint zu wissen, was die Geschichte für uns bereithält. Seine Staatstheorie hat Schluss gemacht mit der faulen Ausrede, der Kommunismus - oder was immer es sein mag - sei nur nicht im Sinne seines Erfinders umgesetzt worden und man müsse weiter daran arbeiten, die schöne, neue Welt zu erschaffen. Popper hat aufgezeigt, dass jeglicher Versuch, das zu tun, unweigerlich in der Tyrannei endet und daher nicht erstrebenswert ist.
Ich persönlich war nie ein Freund kontinentaleuropäischer Vorstellungen von Demokratie wie dem Verhältniswahlrecht. Ich war stets ein Verfechter eines Mehrheitswahlrechts, da es letztlich die Hauptaufgabe eines Staates ist, zu regieren und zu verwalten. Außerdem haben mich seine Ideen von einem kompletten Regierungswechsel überzeugt, und eben nicht nur, dass der große Koalitionspartner sich einen neuen Mehrheitsbeschaffer sucht, um ewig im Amt bleiben zu können. Ich würde lediglich darauf bestehen wollen, dass es ein System der checks and balances amerikanischer Prägung gibt, um Machtmissbrauch und Machtanmaßung zu verhindern.
Wo ich seinen Kritikern aber zustimme, ist bei seiner Vorstellung einer wissenschaftlich denkenden Gesellschaft. Auch ich halte diese Sichtweise schlicht und einfach für weltfremd. Menschen haben Emotionen, vor allem haben Menschen Angst. Sie lassen sich nur allzu gerne von ihren irrationalen Ängsten und Vorurteilen leiten. Daher kann ich Karl Popper nur zustimmen, wenn er sagt, das Volk ist nichts Höheres und die Majorität kann irren. In meinen Augen irrt sie sogar sehr oft.
Literatur
Nasher, Jack (2017), Die Staatstheorie Karl Poppers. Eine kritisch-rationale Methode, Mohr Siebeck.
„Der Begriff der 'Offenen Gesellschaft' ist zu einem geflügelten Wort geworden. Er geht zurück auf den französischen Philosophen Henri Bergson, doch war es der österreichische Brite Karl Popper, der ihn mit Leben füllte. Auf ihn, diesen Hofphilosophen der freien Welt, berufen sich immer wieder Wirtschaftkapitäne, Religionsführer, Kaiser und Präsidenten.“ (Nasher, 2017, Vorwort).
Jedes Schulkind in der angloamerikanischen Welt hat zumindest schon einmal etwas von der „open society“ gehört. Außerhalb des englischen Sprachraums aber schwindet Poppers Bedeutung. Wie kann das sein? Wie konnte es dazu kommen, dass Popper, ein Österreicher, in der englischsprachigen Welt als Koryphäe der Demokratietheorie fester Bestandteil des Diskurses ist und anderswo kaum eine Rolle spielt?
Es hat sicherlich viel mit dem Leben Poppers zu tun. Vor dem Faschismus auf die andere Seite der Welt, nach Neuseeland, geflüchtet und später nach England emigriert, hat Popper sein entscheidendes Werk auf Englisch für eine ganz andere Zielgruppe geschrieben als für Kontinentaleuropäer. Erst deutlich später wurden seine Ideen in andere Sprachen übersetzt.
Es mag wohl aber auch mit den geradezu diametral entgegenstehenden Vorstellungen von Demokratie zu tun haben, die in der anglophonen Welt vorherrschen und sich nur schwer mit denjenigen Kontinentaleuropas vereinen lassen, welche noch heute zu Verwirrung und Frustration bei Themen wie Brexit, Trump, Atomkraft oder Verteidigungs- und Außenpolitik führen.
Mit anderen Worten: man versteht Karl Popper nicht recht, weil man seine Warte, aus der heraus er schreibt, gar nicht kennt und mit der man auch (gerne) fremdelt, da am Ende des Tages doch jeder selbst seine Form der Demokratie (und der entsprechenden Gesellschaftsform, die daraus erwächst) für überlegen hält und man sich nur ungern mit anderen Herangehensweisen auseinandersetzt. So schön kann status quo sein.
In diesem Text soll es aber genau darum gehen. Er soll einen Beitrag dazu leisten, Karl Poppers Staatstheorie übersichtlich und systematisch zusammenzutragen, um das Verständnis zu erleichtern. Dabei orientiert sich der Text an Jack Nashers Buch „Die Staatstheorie Karl Poppers – Eine kritisch-rationale Methode“.
Das Hume’sche Induktionsproblem und das Abgrenzungskriterium
In Karl Poppers jungen Jahren waren die Ideen des „Wiener Kreises“ die in der Wissenschaftstheorie vorherrschenden Lehrmeinungen. Demgemäß ginge es in der Wissenschaft um „Verifikation“ durch Beobachtung. Soll heißen: Wenn man eine bestimmte Beobachtung nur oft genug gemacht hat, dann ist die zugrunde liegende Theorie auch mit großer Sicherheit richtig.
Popper hielt diese Sichtweise für unhaltbar, da nur eine gegenteilige Beobachtung jeglicher Theorie sofort den Garaus machen würde. Beobachtungen zur Bestätigung sind also vollkommen gehaltlos. Wer nach Erkenntnis strebe, müsse also nach Falsifikation suchen. Denn wer das Gegenteil beweisen kann, hat einen viel höheren Erkenntnisgewinn und kann an seiner Theorie bestehende Fehler ausmerzen. Für Popper drehte sich alles immer um Fehlerereliminierung, denn wer Fehler findet und beseitigt, der hat Erkenntnis gewonnen.
Der Wiener Kreis beschäftigte sich auch intensiv mit der Frage, was Wissenschaft ausmacht. Er legte fest, es gebe eine Abgrenzung von Wissenschaft und Unsinn anhand von Verifizierbarkeit. Was also verifizierbar ist, ist wissenschaftlich. Alles andere ist Unsinn. Für Popper aber galt ja, dass Verifizierbarkeit keinen Sinn macht, so auch diese Sichtweise. Popper schied Wissenschaft nicht von Unsinn, sondern einfach von Nicht-Wissenschaft und führte zwei Kriterien an, um diese Unterscheidung zu machen:
- Falsifizierbarkeit: Theorien müssen falsifizierbar sein, ansonsten gibt es keinen Erkenntnisgewinn. Thesen seien klar zu formulieren und dürften keinen Spielraum lassen für Interpretationen. Der Wissenschaftler solle sich der Falsifikation stellen und nicht versuchen, seine Theorie gegen jedwede Kritik zu rechtfertigen oder zu immunisieren.
- Kühnheit: Wissenschaftler sollen laut Popper möglichst große Risiken, falsch zu liegen, eingehen. Sie sollen versuchen, in ihren Theorien möglichst große Sprengkraft zu verbauen und den Stand der Wissenschaft, welcher in ihrer Zeit vorherrschen mag, möglichst auf ganzer Linie in Frage stellen.
Diese Sichtweise Poppers auf die Wissenschaft hat er in abgewandelter Form auch auf seine politischen Theorien angewendet. Poppers Staatstheorie orientiert sich immer an den Grundsätzen der Wissenschaftlichkeit, wie er sie verstanden hat. Seine Kritiker haben ihm dies auch stets zum Vorwurf gemacht. Für Popper handelt eine ideale Gesellschaft nach kritisch-rationalen Methoden, es handelt sich also um eine ganz und gar „verwissenschaftlichte“ Gesellschaft und Politik. Alles Irrationale und Unerklärliche oder auch schwer Verständliche spielt bei Popper keine Rolle, da er diese Dinge kategorisch ablehnt. Damit kommen Dinge wie Religion, Ideologie, Mentalitäten oder Gefühle, aber auch Dinge wie Kultur oder Tradition bei Popper nicht wirklich vor. Wenn überhaupt, dann als Gegenspieler der von ihm entworfenen „offenen Gesellschaft“. Seine Kritiker hielten und halten diesen Ansatz für weltfremd und werfen ihm vor, damit genauso einer Utopie nachzujagen, die er doch so sehr abzulehnen scheint.
Dem muss man allerdings entgegenhalten, dass Karl Popper sich nicht als politischen Philosophen verstanden hat, sondern als Naturwissenschaftler. Er hat nie von sich behauptet, Politikwissenschaftler zu sein, und damit hatte er auch nie den Anspruch, eine in sich kohärente Idee von einer besseren Welt formuliert zu haben. Auch Jack Nasher hat den Inhalt seines Buches, welches hier noch einmal übersichtlich dargestellt werden soll, aus verschiedenen Werken Poppers zusammengetragen. Karl Poppers Ideen zur Politik sind nicht aus einem Guss und auch nicht gleichzeitig entstanden. Sie als „die Ideen Karl Poppers zu Politik, Staat und Gesellschaft“ zu betrachten ist daher fehlgeleitet. „Karl Poppers Staatstheorie“ ist der Versuch einer Draufsicht auf das Lebenswerk eines der bedeutendsten Wissenschaftler seiner Zeit und keine parteipolitische Gemeinwohlkonzeption.
Wer Karl Popper verstehen will, muss sich also seinen Wissenschaftstheorien, seiner eigentlichen Leidenschaft, widmen. Wer seine politischen Ideen verstehen will, muss die vier Säule seiner Staatstheorie genauer betrachten: „seine Betrachtung des Totalitarismus, die Stückwerk-Sozialtechnik, seine Demokratietheorie und seine Theorie zur Stammesromantik“ (Nasher, 2017, S. 35).
Der Ursprung allen Übels: Historizismus, Holismus, Utopie und Totalitarismus
Karl Poppers politische Überzeugungen können eigentlich so zusammengefasst werden: es geht um die Entzauberung der großen Namen, der Anführer. All das habe nur zu totalitären Systemen geführt, die nur Leid über die Menschen gebracht haben. Poppers Werke können als Dekonstruktion der großen Ideen verstanden werden, in denen die Menschen auf das große Ziel eingeschworen werden, für dessen Umsetzung sie bereit sein müssten, alles zu geben.
Dem zugrunde liegt Poppers Annahme, alle diese großen Führer mit ihren großen Ideen hätten stets behauptet, den Schlüssel zur Geschichte gefunden zu haben. Seien es die Nazis, die den Schlüssel zur Geschichte im Kampf der Rassen meinten ausgemacht zu haben, oder seien es die Kommunisten, welchen den Schlüssel zur Geschichte im Kampf der Klassen meinten ausgemacht zu haben. Allen diesen schrecklichen Ideologien liegt zugrunde, dass ihre Wortführer glaubten zu wissen, warum die Geschichte der Menschheit so verlaufen ist, wie sie verlaufen ist und welches denklogische und unvermeidliche Ziel die Geschichte haben wird. Diese Art, sich die Geschichte herzuleiten, nannte Popper „Historizismus“. In ihm sah er die Wurzel allen Übels. Nicht nur weil er es für hochmütig und dem Menschen unmöglich betrachtete, die Komplexität der Geschichte begreifen zu können, sondern weil er darin auch den Ursprung des Totalitarismus ausgemacht hatte.
Es gab für ihn eine Art Schnellstraße hin zum Totalitarismus. Alles fängt damit an, dass behauptet wird, man habe den Schlüssel zur Geschichte gefunden, indem man damit beginnt, die Gesellschaft gleich einem Organismus als ein großes Ganzes zu verstehen. Dies nannte Popper Holismus. Der Holist fährt damit fort, indem er seinen Holismus in praktische Handlungsschemata überträgt, wie also die schöne neue Welt zu erreichen sei. Dies nannte Popper die Utopie. Zu guter Letzt macht sich die Person oder Gruppe nun ans Werk, und da man ja die perfekte Gesellschaft griffbereit vor sich hat, kann es also auch keine Opposition geben, jedenfalls keine legitime, ethisch und moralisch anzuerkennende Opposition. Daher steht es jenen, die die Wahrheit erkannt haben, frei, jeden auszuschalten, der sich der Umsetzung der Utopie entgegenstellt. Damit sind wir laut Popper beim Totalitarismus angelangt.
Für Popper zeichnet sich der Totalitarismus durch eine „für alle geltende Glückseligkeit“ (Nasher 2017, S. 40) aus. Es ist das Ziel, alle Menschen gleichermaßen und in umfassender Weise „glücklich“ zu machen. Für Karl Popper lag darin die große Hybris aller großen Anführer und ihrer großen Ideen. Alle diese Ideologien sind genau an dieser Stelle zum Scheitern verurteilt. Wenn man alle Menschen, zu jeder Zeit, auf allen Ebenen glücklich machen will, muss man nun zwangsläufig den Verlauf der Geschichte vorhersagen können. Man muss also wissen, dass Facebook, Google und Co. eines Tages aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Dies ist selbstredend völlig unmöglich und für Popper auch gar nicht erstrebenswert. Es führe zu „Intoleranz, religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition.“
Wir können nicht wissen, was unser Gegenüber glücklich macht, daher sollen wir es auch gar nicht erst versuchen. Das Einzige, was der Mensch tun kann, ist sich konkreten Missständen zuzuwenden und diese versuchen zu lösen. Laut Popper können wir nicht wissen was andere glücklich macht, aber wir können sehr wohl sehen, was anderen Menschen Leid zufügt, wir sehen Ungerechtigkeit. Diesen Dingen können wir uns ganz konkret zuwenden und damit Leid verhindern. Das Leid verhindern, nicht das Glück suchen und für andere Menschen bestimmen, was deren Glück zu sein hat, das ist einer der Kernpunkte für Karl Popper. Andere glücklich machen zu wollen, gehe häufig mit einer unzumutbaren Verletzung der Privatsphäre einher. Leid aber zu verhindern, ist in einer offenen Gesellschaft absolut geboten, da es für Popper ja stets um das Ausmerzen von Fehlern geht. Leid, wenn man so will, ist ein solcher Fehler, der behoben werden kann.
Wer den Schlüssel zum Glück in den Händen hält, verbittet sich jegliche Kritik. Doch in einer offenen Gesellschaft ist Kritik, das offene Ansprechen dessen, was einem nicht gefällt, einer der entscheidenden Unterschiede zu einem totalitären, geschlossenen System.
Poppers Stückwerk-Sozialtechnik
Karl Popper sprach sich offen für die „Einheit der Methode von Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften“ (Nasher 2017, S. 48) aus. Die großen Erfolge der Naturwissenschaften sah Popper in ihrer Methodik begründet. Diese Methodik wollte Popper auch auf die Sozialwissenschaften anwenden und machte das Fehlen dieser Methodik für die Rückständigkeit der Sozialwissenschaften verantwortlich.
Laut Popper würden die Sozialwissenschaftler, ganz nach Platon, hoch-philosophische Fragen stellen, wie etwa „Was ist der Staat?“ oder „Was ist der Bürger?“, die aber keinerlei Mehrwert bringen würden, da die Mehrheit sozialer Institutionen natürlich gewachsen sind und nur eine Minderheit selbiger planvollem, menschlichen Handelns zu verdanken sind. Die Geisteswissenschaften sollten sich dem „Nominalismus“ (Nasher, 2017, S. 49) der Naturwissenschaften anschließen und nicht mehr länger versuchen, das Wesen der Dinge zu ergründen.
Laut Popper führt nur die Methode von Versuch und Fehlerausmerzung (trial and error) zu Erkenntnisgewinn. Diese den Naturwissenschaften eigene Methode sollte laut Popper auf alle anderen Bereiche der Wissenschaft und auch auf die Politik ausgeweitet werden. In der Politik bezeichnet er die Anwendung als Stückwerk-Sozialtechnik. Dasbedeutet, dass die politisch Verantwortlichen nur solche Veränderungen vornehmen, bei denen sie die Folgen nachvollziehen und unintendierte Nebenwirkungen korrigieren können.
Soll heißen, der Politiker geht in inkrementalistischer Art und Weise an sein Werk und versucht eben nicht große Visionen oder Projekte, deren einzelne Auswirkungen niemand mehr mit den ursprünglichen, einzelnen Maßnahmen, zum Beispiel einzelnen Gesetzen und Verordnungen, logisch verbinden kann. Es soll möglich werden, eine Art Reiz-Reaktions-Schema sichtbar werden zu lassen, um genau nachvollziehen zu können, welche Maßnahme welchen Effekt hatte, und so soll es möglich werden, Fehler schnell und effizient auszumerzen.
Popper bezeichnete diese Art, Politik zu betreiben, tatsächlich als ein ständiges „Herumbasteln“. Politiker sollen probieren, verwerfen und neu probieren können. Politik soll in mundgerechten Stücken gemacht werden, sodass stets jede Maßnahme nachvollziehbar und veränderbar bleibt. Diese Art des Politikmachens soll dabei kein Plädoyer für eine ideologisch konservative Politik sein. Auch der Stückwerk-Sozialtechniker darf hochfliegende Pläne haben, er muss sich aber im Klaren sein, dass solche Pläne nicht immer unmittelbar umsetzbar sind.
Er muss seine Idee in kleinen Schritten, also Stück für Stück, umsetzen, auch um der Tatsache willen, dass seine Idee nun vielleicht unterschiedliche Ressorts wie die Bildungs- oder die Wirtschaftspolitik betreffen und von daher auch gesondert behandelt werden sollten. So behält auch ein aktiver, emanzipatorischer Stückwerk-Sozialtechniker den Überblick, ohne seinen Ideen zur Verbesserung der Gesellschaft untreu werden zu müssen oder sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, er sei nicht progressiv genug.
Ohne eine offene Diskussionskultur kann es aber keine Stückwerk-Sozialtechnik geben. Es ist für ihre praktische Umsetzung unabdingbar, dass offen und regelmäßig möglichst viel Kritik geübt wird. Nur so dringen unerwünschte Nebenfolgen oder Konsequenzen, die zu Beginn überhaupt nicht antizipiert wurden, zu den Politikern durch, welche dazu berufen sind, diese Fehlermeldungen zu analysieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Popper beschreibt diese Form der Herangehensweise als zwar nicht besonders ästhetisch, aber dafür können so die Folgen der eigenen Politik abgesehen und korrigiert werden. Der Ästhetiker, der ganz im Sinne Platons Politik als eine Kunstform betrachtet und der die Welt von allem Hässlichen zu befreien strebt, dem wird diese Technik nicht viel zu bieten haben. Seine Herangehensweise, eine „tabula rasa“ zu erschaffen, kann laut Popper aber nur durch Grausamkeit erreicht werden, da wer solche Politik machen will, alles ausmerzen muss was nicht in die schöne, neue Welt passt: „Er muss reinigen, austreiben, deportieren und töten“ (Nasher 2017, S. 57). Auch wenn Popper bemerkt, dass auch ihm dieser Trieb nicht fremd ist, so empfiehlt er doch dem Künstler, sich ein anderes Material als den Menschen zu suchen.
Popper über die Demokratie
Es ist überaus bemerkenswert, dass Popper zwar ein glühender Demokrat ist, aber weder die Demokratie noch den Staat für etwas besonders „Vornehmes“ hält. Für ihn ist der Staat eine zweckrationale Beziehung der Menschen untereinander. Der Staat erfüllt eine Aufgabe, er ist nicht Aufgabe an sich, nichts Höheres, kein Selbstzweck. Der Staat hat sich als etwas Nützliches, Effizientes herausgestellt und nur als das. Daher lehnt Karl Popper jegliches Podest für den Staat ab.
Auch seine Vorstellungen zur Demokratie sind keineswegs solche der Verklärung oder Bewunderung. Für Popper ist die Demokratie, ganz nach Winston Churchill, die „schlechteste aller Regierungsformen, mit der alleinigen Ausnahme aller anderen Regierungsformen“. Sie erfüllt den alleinigen Zweck, die „notwendige Macht zu kontrollieren“ (Nasher 2017, S. 62).
Für ihn ist auch das Wort Demokratie irreführend. Es suggeriere, dabei handele es sich um eine Herrschaft des Volkes. Davon kann aber keine Rede sein. Nie habe sich das Volk in irgendeiner Weise selbst regiert. Es gehe darum, die Herrschenden mit der Drohung der Absetzung so zu beeinflussen, dass sie im Sinne des Volkes regieren. Es geht also im Kern nicht darum, dass das Volk regiert, sondern darum, eine Tyrannei zu verhindern.
Karl Popper hält die Aussage, die schon in der Schule gelehrt wird, nämlich, dass wir in einer Volksherrschaft leben, für gefährlich. Es stimme nämlich einfach nicht. Wenn nun also die Kinder dies aber so lernen und im späteren Leben feststellen, dass dies eine Lüge sei, könne dies bis in den Terrorismus führen. Popper hält auch nichts davon, den Aberglauben aufrecht zu erhalten, dass das Volk, die Majorität, nicht falsch liegen könne. Für Popper, so könnte man sagen, besteht kein großer Unterschied zwischen der Tyrannei eines Einzelnen und der Tyrannei der Mehrheit.
Popper sieht die Tyrannei als die ständige Bedrohung, derer sich offene Gesellschaften ausgesetzt sehen. Demokratie ist das Bestiarium, das die Macht gefangen hält, die ständig drohe, in ihrer schlimmsten Form auszubrechen. In der Demokratie liege der Schlüssel zur Kontrolle von Macht. Ohne sie gehe es nicht, da sonst das Recht des Stärkeren gelte und man so nicht zusammenleben könne. Popper steht hier ganz in der klassisch liberalen Tradition, die den Staat als notwendiges Übel ansieht.
Für Karl Popper geht es in der Demokratie also um das Einhegen der Herrschenden. Niemand solle die Möglichkeit haben, absolute Macht im Staat auszuüben. Gelingen soll dies dadurch, dass Macht nur in einen institutionellen Rahmen ausgeübt werden darf. Popper spricht sich für starke Institutionen aus. Damit meint er einen sehr weit gefassten Begriff von Institutionen. Für ihn schließt das zum Beispiel auch Unternehmen oder Schulen ein, die daran beteiligt sind, die Macht einzudämmen und in Bahnen zu lenken, die die Mächtigen nicht korrumpieren und die helfen, eine Tyrannei zu verhindern.
Bedauerlicherweise hat sich eine ganz entscheidende Idee Platons bisher nicht diskreditieren lassen können als das, was sie im Kern eigentlich ist und die für Popper eine große Gefahr für die offene Gesellschaft darstellt, nämlich die Frage: Wer soll herrschen? Diese Frage führe unweigerlich in die idealistische Suche nach dem „Besten, dem Weisesten“ unter uns und damit eigentlich auch schon in die Suche nach dem „Führer“ als dem einen, der weiß, was gut und richtig ist, und der bereit ist, die Dinge anzupacken und die Welt zu verbessern. Für Popper geht es aber nicht um das „Wer?“ sondern um das „Wie?“ von Herrschaft. Die platonische Frage nach dem „Wer?“ ist also diametral zu dem, was sich Popper vorstellt, wie Politik ablaufen sollte.
Ein entscheidender Punkt für Popper ist auch, dass die Wahl nicht als Vertrauensvorschuss für die neue Regierung, sondern vielmehr als ein Gericht über die alte zu gelten hat. Für Karl Popper ist eine Wahl der Richterspruch des Volkes darüber, ob die Regierung zur Zufriedenheit des Volkes regiert hat und bleiben kann oder ob sie zu gehen hat. Das ist für ihn das Wesen der Demokratie, dass ein Regierungswechsel ohne Blutvergießen vonstatten geht.
Der Übergang zur offenen Gesellschaft und die Sehnsucht nach dem Stamm
Unter (dem Ursprung) einer Stammesgesellschaft versteht Karl Popper kleine, primitive Kriegerbanden, die für gewöhnlich in befestigten Siedlungen lebten und von Häuptlingen, Königen oder aristokratischen Familien regiert wurden. In ihnen gelte ein „Zauberkreis“ aus „unveränderlichen Tabus, Gesetzen und Sitten“ (Nasher 2017, S. 83), die für ebenso naturgegeben angesehen werden wie der Kreislauf der Sonne. In solchen geschlossenen Gesellschaften werden menschengemachte Normen und Werte mit den Gesetzen der Natur gleichgesetzt und dementsprechend auch nicht kritisch hinterfragt.
Erst im Austausch mit anderen Völkern ist diesen Gesellschaften überhaupt bewusst geworden, dass ihre, als naturgegeben angesehenen, Gebräuche nicht mehr sind als von ihnen erschaffene Konventionen, welche veränderbar sind und um des Fortschritts Willen auch verändert werden müssen. Dieser Prozess des Aufbrechens von Tabus ist der erste Schritt in die offene Gesellschaft. Zum ersten Mal ist Kritik und Rationalität nicht nur erwünscht, sondern notwendig - eine Kernthese der offenen Gesellschaft nach Karl Popper.
Für Popper sind wir aber erst am Anfang unserer langen Reise in die offene Gesellschaft. Mit dem Wegfallen fest zugewiesener Positionen in der Gesellschaft haben wir uns ein großes Stück Freiheit erarbeitet, doch eben jene Freiheit stellt für viele auch eine große Last dar. Zum ersten Mal müssen sie erkennen, dass sie im Leben alles erreichen können, dafür aber auch selbst für ihr Leben verantwortlich sind. Gerade für die Schwächsten der Gesellschaft ist dies eine erdrückende Aufgabe geworden. Ganz besonders der Wegfall der Religion als Richtschnur hat viele Menschen schwer erschüttert. Mit der Erkenntnis, dass sie die Erde selbst regieren müssen, kommen viele Menschen einfach noch nicht zurecht. Von diesem Schock müsse sich die Menschheit erst noch erholen, bevor sie weitergehen kann in Richtung einer offenen Gesellschaft. Daher sieht Karl Popper unsere Gesellschaften nach wie vor als anfällig an für die Sehnsucht nach der Geborgenheit des Stammes (z.B. Nationalismus).
Praktische Anwendung
Unter dem Eindruck der „Bonner Wende“ 1982 hat Karl Popper seine Demokratietheorie einmal praktisch angewendet, am Beispiel des Proportionalitätswahlrechts. Popper äußert zwei Kritikpunkte. Erstens ist im Proportionalitätswahlrecht der Politiker nicht dem Wähler verantwortlich, sondern seiner Partei. Sie hat ihn schließlich aufgestellt zur Wahl und sie entscheidet darüber, ob er bleibt. Damit kommt es zur berühmten Fraktionsdisziplin: Politiker stellen sich so gut wie nie gegen ihre Partei, da ihre Loyalität nicht (nur) dem Wähler gilt, sondern der Parteiführung. Der Bundestag bilde also nicht den Willen des Volkes ab, sondern die Effektivität der Wahlkampfstrategie.
Zweitens macht das Proportionalitätswahlrecht die Wahl und Abwahl der Regierung schwieriger. In einem solchen System ist die Regierung beinahe immer eine Koalitionsregierung, sie tut also nicht das, was "das Volk" will, sondern sie tut das, was im Koalitionsvertrag steht. Eine solche Regierung kann auch nicht zur Verantwortung gezogen werden, da niemand so wirklich verantwortlich ist. Darüber hinaus ist es auch schwierig, eine solche Regierung loszuwerden (Poppers Kernkriterium für eine Demokratie). Der große Koalitionspartner sucht sich einfach einen neuen Partner und schon ist der alte Kanzler auch der neue.
Wenn nun also, im Popperschen Sinne, das Volk über seine Regierung zu Gericht sitzen will und beschließt, dass der Kanzler und seine Entourage zu gehen haben, so ist dies im Proportionalitätswahlrecht viel schwieriger als im Mehrheitswahlrecht, wo eine Partei gewinnt und die andere verliert. Es kommt zu einem einfachen und unkomplizierten Wechsel an der Regierung. Dieser Wechsel ist notwendig, um selbstkritische Prozesse in den Parteien in Gang zu setzen, damit es nicht zur Stagnation im politischen System kommt. Daher hatte sich Popper auch stets für das winner-takes-all-Prinzip der angelsächsisch geprägten Demokratie ausgesprochen.
Persönliches Fazit
Für mich ist Karl Popper einer der interessantesten Menschen, über die ich je etwas gehört habe. Es kommt selten vor, dass ich vor einer politischen Theorie sitze und nicht denken muss, wie furchtbar es wäre, wenn jemand tatsächlich auf die Idee kommen würde, das umzusetzen, was ich gerade gelesen habe. Bei Popper hatte ich diesen Eindruck nie, weil er keine Utopie verfasst hat.
Ich stimme seinen Kritikern an dieser Stelle nicht zu. Popper hat keine "liberale Utopie" verfasst, er hat sie alle entlarvt. Er hat sichtbar gemacht, was unweigerlich die Folge davon ist, wenn man meint zu wissen, was die Geschichte für uns bereithält. Seine Staatstheorie hat Schluss gemacht mit der faulen Ausrede, der Kommunismus - oder was immer es sein mag - sei nur nicht im Sinne seines Erfinders umgesetzt worden und man müsse weiter daran arbeiten, die schöne, neue Welt zu erschaffen. Popper hat aufgezeigt, dass jeglicher Versuch, das zu tun, unweigerlich in der Tyrannei endet und daher nicht erstrebenswert ist.
Ich persönlich war nie ein Freund kontinentaleuropäischer Vorstellungen von Demokratie wie dem Verhältniswahlrecht. Ich war stets ein Verfechter eines Mehrheitswahlrechts, da es letztlich die Hauptaufgabe eines Staates ist, zu regieren und zu verwalten. Außerdem haben mich seine Ideen von einem kompletten Regierungswechsel überzeugt, und eben nicht nur, dass der große Koalitionspartner sich einen neuen Mehrheitsbeschaffer sucht, um ewig im Amt bleiben zu können. Ich würde lediglich darauf bestehen wollen, dass es ein System der checks and balances amerikanischer Prägung gibt, um Machtmissbrauch und Machtanmaßung zu verhindern.
Wo ich seinen Kritikern aber zustimme, ist bei seiner Vorstellung einer wissenschaftlich denkenden Gesellschaft. Auch ich halte diese Sichtweise schlicht und einfach für weltfremd. Menschen haben Emotionen, vor allem haben Menschen Angst. Sie lassen sich nur allzu gerne von ihren irrationalen Ängsten und Vorurteilen leiten. Daher kann ich Karl Popper nur zustimmen, wenn er sagt, das Volk ist nichts Höheres und die Majorität kann irren. In meinen Augen irrt sie sogar sehr oft.
Literatur
Nasher, Jack (2017), Die Staatstheorie Karl Poppers. Eine kritisch-rationale Methode, Mohr Siebeck.
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