Fußball bindet und bildet

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Es fühlt sich so normal an, ist aber doch faszinierend. Ich stehe auf einem Fußballplatz irgendwo in einem anderen Land, keiner versteht Deutsch oder Englisch und trotzdem findet, wie hier unter der strahlenden Sonne Süditaliens, ein packendes Fußballspiel statt. Wo es im alltäglichen Leben, im Beruf oder auch unter Freunden als Voraussetzung gilt, über eine Sprache zu verfügen, mit der man sich mit seinen Mitmenschen verständigen kann, so ist das im Sport nicht unbedingt notwendig. Wieso das so ist, kann man sehr gut am Beispiel Fußball erklären, lässt sich aber natürlich auf eine Vielzahl anderer Sportarten übertragen.

Die Regeln im Fußball sind international festgelegt und in jedem Land auf der Welt gleich. Solange man sich auf ein Spielfeld verständigen kann, aus irgendwelchen Gegenständen zwei Tore bildet und ein rollendes Spielgerät besitzt, lässt sich der Sport auch an jedem noch so abgelegenen Ort ausüben. Eine Mannschaftsbildung gelingt sogar, wenn man sich notfalls nur mit Händen und Füßen verständigen kann. Durch die Gleichheit der Regeln, die Einfachheit des Spiels und die weltweite Beliebtheit ist die Sportart Fußball so gut wie keine andere Disziplin dafür geeignet, Menschen miteinander zu verbinden, ungeachtet aus welcher sozialen Schicht sie stammen, aus welchem Land sie kommen, welche Sprache sie sprechen und welche Kultur sie besitzen.

So werden Sportvereine und Fußballplätze zu Orten der Vielfalt, an denen Kinder und Jugendliche zusammenkommen, die vielleicht aufgrund sehr unterschiedlicher sozialer Voraussetzungen nicht unbedingt in Kontakt kommen würden. Damit dieses Zusammensein funktionieren kann, müssen die Kinder und Jugendliche eine gewisse Offenheit und Toleranz gegenüber Vielem mitbringen. Dabei kann es sich um ein anderes Aussehen, eine andere Sprache, unterschiedliche Religionen oder auch um eine andere soziale Schichtzugehörigkeit handeln. Vor allem in größeren Städten ist diese Vielfalt noch ausgeprägter. Dabei kann ich mich noch gut an meine Kindheit erinnern. Sowohl im Verein als auch beim Fußballspielen mit Freunden waren wir immer eine sehr bunte Truppe. Seit meiner Jugend spiele ich mit Schwarzen, Weißen, Christen, Moslems, Hindus, Menschen aus armen oder reichen Familien zusammen. Auf dem Platz und in der Kabine hört man Deutsch, Türkisch, Griechisch, Italienisch und vieles mehr.

Mannschaftssport und vor allem Fußball bietet die große Möglichkeit, den Kindern ganz wichtige Werte wie Unvoreingenommenheit gegenüber Anderen, Toleranz, Gleichberechtigung, Respekt vor den Mitmenschen und Fairplay zu vermitteln. Auch Eigenschaften wie Verantwortung innerhalb der Mannschaft zu übernehmen oder sich ins Team einzubringen sind in einem Mannschaftssport leicht erlernbar. Und an dieser Stelle kommen Sport und politische Bildung bei Kindern und Jugendlichen zusammen. Diese Werte, die zu vermitteln der Fußball in der Lage ist, sind grundlegende Eigenschaften, wie sie ein demokratischer Bürger in einer pluralistischen Gesellschaft besitzen sollte. Auf diesem Fundament können gesellschaftliche Teilhabe, Wertschätzung anderer Menschen und Kulturen, das Akzeptieren anderer Meinungen, Gerechtigkeit, gesellschaftliche Verantwortung, usw. wachsen. Können sich Kinder und Jugendliche mit diesen Werten identifizieren, so sind diese auch ein präventiver Schutz vor nationalistischen oder rassistischen Ideologien.

Ein Kind zu einem offenen demokratischen Bürger zu erziehen, der sich in einer pluralistischen Gesellschaft in einer globalisierten Welt zurechtfinden kann, ist auch eines der großen Ziele des schulischen Politikunterrichts. Ein Fußballverein kann diesen natürlich nicht ersetzen, jedoch können die Kinder und Jugendlichen beim Fußball viele der hierfür erforderlichen Kompetenzen ganz automatisch und praktisch erlernen.

Auch die Politik greift bei vielen ihrer Projekte auf die verbindenden und integrativen Möglichkeiten des Fußballs zurück. Verschafft man sich einen kurzen Überblick über die aktuell laufenden Projekte zur Integration von geflüchteten Menschen, stellt man fest, dass viele als Schwerpunkt das gemeinsame Fußballspielen von Geflüchteten und den hier bereits lebenden Bürgern beinhalten. So gibt es sehr viele Sportvereine in Deutschland, die sich für die Integration von geflüchteten Menschen einsetzen. Oftmals geschieht das, indem Flüchtlinge in einen Sportverein aufgenommen werden und von da an Teil einer großen Sportgemeinde sind. Durch das wöchentliche Fußballtraining, die Spiele am Wochenende und alle anderen Veranstaltungen auf Vereinsebene verbringen die Menschen automatisch sehr viel Zeit mit ihren neuen Mitspielern, sie lernen sich gegenseitig kennen und im besten Fall entwickeln sich daraus auch neue Freundschaften.

Einerseits ist es eine willkommene Abwechslung und eine neue Struktur im Alltag der Flüchtlinge, die oftmals durch eine fehlende Arbeitserlaubnis und die langwierigen Bearbeitungszeiten ihres Asylantrages zum Warten und Nichtstun gezwungen sind. Des Weiteren sind das Erlernen einer neuen Sprache und das Kennenlernen eines neuen Landes viel einfacher, wenn man in einen festen Mannschafts- bzw. Freundeskreis integriert ist. Außerdem ist es auch für die Mitspieler eine sehr interessante und eindrückliche Erfahrung, da man mit den persönlichen Geschichten und Fluchterfahrungen dieser Menschen konfrontiert wird und so einen ganz anderen Zugang zu der Flüchtlingsthematik bekommt. Auch in meiner Mannschaft haben wir zwei geflüchtete Menschen aufgenommen, und es ist bis heute eine Erfolgsgeschichte.

Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Projekte, die sich mit Fußball und Integration befassen. In vielen Großstädten, wie auch in Stuttgart, gibt es wöchentlich stattfindende offene Sportangebote auf öffentlichen Sportplätzen, bei denen deutsche Kinder und geflüchtete Kinder zusammen unter der Leitung von ehrenamtlichen Betreuern Fußball spielen können. Auch einige städtische Jugendhäuser und Schulen haben ähnliche offene Angebote.

Wie man sieht, nimmt der Mannschaftssport Fußball eine wichtige gesellschaftliche Rolle ein. Er schafft es, Menschen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten zusammenzubringen, ganz egal, woher jemand kommt, wieviel Geld er hat und an was er glaubt. Kinder und Jugendliche lernen so ganz automatisch, eine offene und tolerante Einstellung gegenüber ihren Mitmenschen zu haben und eignen sich außerdem noch eine Vielzahl weiterer sozialer Kompetenzen und Einstellungen an, die in unserer heutigen pluralistischen Gesellschaft elementar sind. Es ist gut, dass auch die Politik auf diese Möglichkeiten zurückgreift, wie man vor allem ganz aktuell an den Integrationsprojekten für geflüchtete Menschen sehen kann.

Natürlich gibt es auch sehr negative Seiten an der Sportart Fußball, auf die ich in diesem Beitrag überhaupt nicht eingegangen bin. Blickt man auf den Rassismus, wie er in vielen Stadien auf der Welt noch praktiziert wird, oder die Gewalt, die von der Hooliganszene ausgeht, werden gerade die elementaren Werte wie Toleranz und Fairness mit Füßen getreten. Jedoch bin ich der Meinung, wir sollten auf die großen Möglichkeiten setzen, die uns diese Sportart verschafft, immer mit dem Wissen, dass der Großteil der Menschen, die weltweit friedlich und mit Spaß ihrer Leidenschaft Fußball nachgehen, genau verstanden haben, um was es geht.

Autor: Tom Meyer

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