Separatismus - eine Bilanz

Von Separatismus spricht man, wenn ein Teil der Bevölkerung die Absicht hat, sich von dem Staat, in dem er lebt, zu trennen, um einen eigenen Staat zu gründen. Allein in Europa gibt es mehrere separatistische Bewegungen und Bestrebungen. Dass sich ein Teil der Bevölkerung von einem Staat trennen möchte, lässt sich in den meisten Fällen mithilfe von zwei wesentlichen Konfliktpunkten begründen:
  • Ökonomische Interessen: Reiche Regionen wie Flandern, Lombardei oder Katalonien stellen sich die Frage: „Warum sollen wir für die anderen ärmeren Regionen zahlen?“
  • Regionale Gemeinsamkeiten: "Wir sind ganz anders. Wir haben eine andere Mentalität, Kultur, Sprache und Geschichte“ - Die regionalen Gemeinsamkeiten fördern die eigenen Identitäten 
Legitimation von Separation

Die Frage, ob ein Teil der Bevölkerung ein Recht auf eine Abspaltung hat, ist nicht einfach zu beantworten. Es liegt nämlich ein Widerspruch zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und der territorialen Integrität der Staaten zugrunde (Grundsätze UNO-Charta).

Grundsätzlich geht man bei Sezessionen wie folgt vor: Einvernehmliche, friedliche Trennungen werden meistens anerkannt, dabei stellen demokratische Abstimmungen die Legitimationsgrundlage dar. Unilaterale (eigenständige) Unabhängigkeitserklärungen ohne Zustimmung des restlichen Staats sind nur in Ausnahmesituationen legitim (z.B. bei Beendigung von kolonialen Zuständen).

Die Rolle der EU

Für die separatistischen Bewegungen spielt die EU eine entscheidende Rolle, da sie sich in erster Linie das Ziel eines unabhängigen Staats in der EU vornehmen. Die Mitgliedschaft in der EU bringt viele Vorteile mit sich. Besonders entscheidend sind die wirtschaftlichen Vorteile. Ein gemeinsamer Binnenmarkt ist gerade für kleine Volkswirtschaften wichtig. Zudem spricht natürlich auch eine gewisse Überrepräsentation der kleinen Staaten in der EU für eine Mitgliedschaft. Jedoch stellt die Fortführung einer EU-Mitgliedschaft keine klare rechtliche Lage dar.

Würde sich Schottland beispielsweise eine solche Bestrebung vornehmen, wären verschiedene Szenarien möglich: 1. Schottland könnte als Mitglied der EU aufgenommen werden, 2. Schottland könnte einen Sonderstatus in der EU einnehmen und 3. Schottland könnte einen neuerlichen Beitritt fordern. Jedoch benötigt Schottland die Zustimmung der EU-Mitgliedsländer. Dies könnte gerade bei Ländern mit Sezessionskonflikten innerhalb des eigenen Staates (z.B. Spanien - Katalonien) zur Ablehnung führen. 

Zerstörungspotenzial des Separatismus

Die Globalisierung, der Klimawandel und die Migration verstärken den Druck auf die Nationalstaaten enorm. Das Zerstörungspotenzial des Separatismus ist grenzenlos. Denn es gibt immer Gruppen, die ärmer sind, die anders denken, anders arbeiten, anders sprechen, eine andere Geschichte haben. Separatismus kann eine bedenkliche Kettenreaktion auslösen. Ist ein Teil einer Bevölkerung erfolgreich mit seinen Autonomiebestrebungen, wird es ein anderer Teil einer Gesellschaft ebenfalls versuchen.

Schaut man sich beispielsweise die separatistischen Bestrebungen für ein unabhängiges Katalonien an, kann man zudem feststellen, dass sich die Gesellschaft in Barcelona stark gespalten hat. Wo sich eine große Anzahl der in Barcelona lebenden Menschen für eine Unabhängigkeit ausspricht, gibt es auch Gegenbewegungen, die beispielsweise mit dem Slogan „Barcelona is not Catalonia“ ihre Position vertreten.

Gemeinsamkeiten von Populisten und Separatisten?

Um einen Teil der Gesellschaft für Unabhängigkeitsbestrebungen zu mobilisieren, werden häufig Methoden angewendet, die an Populisten und populistische Parteien erinnern. Auch Puigdemont, ehemaliger Präsident des Generalitat de Catalunya, wird von einigen Medien als völkischer Populist bezeichnet. Er hat die Katalanen unterschieden zwischen „guten“ Katalanen, die sich für eine Abtrennung von Spanien ausgesprochen haben, und „schlechten“ Katalanen, die dieses Vorhaben nicht unterstützten. Letztlich hat seine Politik, seine ständige Provokation und Verschärfung des Konflikts dazu geführt, dass die Gesellschaft zersplittert und nicht versöhnt wurde.

Ist der Föderalismus die Lösung für Sezessionskonflikte? - „Vielfalt in der Einheit“

Durch die Ländervergleiche, die wir im Seminar vorgenommen haben, konnten wir feststellen, dass Zentralstaaten wie Spanien und Frankreich häufiger von Sezessionskonflikten betroffen sind als Bundesstaaten wie Deutschland oder USA. Diese Erkenntnis brachte uns zu der These, dass stärkere föderale Strukturen Sezessionskonflikten vorbeugen, da sie weitreichende Autonomierechte versprechen. 

Quellen:

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