Drei Modelle des bedingungslosen Grundeinkommens

In unserer Sitzung am 14. Juni haben wir uns mit verschiedenen Fragestellungen bezüglich des bedingungslosen Grundeinkommens beschäftigt. Dieses ist bereits seit vielen Jahren Gegenstand öffentlicher sowie politischer Diskurse und wird immer wieder als Alternative zu unserem momentanen System des Sozialstaates diskutiert.

Es gibt bereits zahlreiche Entwürfe, Konzepte, Vorschläge und Meinungen, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen aussehen, finanziert und konkret umgesetzt werden könnte. All diese Ansätze eint der Versuch, die Fragen nach der ökonomischen Realisierbarkeit, der Transformation des bestehenden Systems, den Folgen und Auswirkungen, den Voraussetzungen und letztlich auch der Kritik an einem bedingungslosen Grundeinkommen aufzuwerfen und zu beantworten.

Des Weiteren stellt sich die Frage nach den Zielen der Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Soll die Beseitigung von Armut dabei im Fokus liegen? Ist das bedingungslose Grundeinkommen eine Gegenstrategie für den durch die Digitalisierung verursachten Schwund von Arbeitsplätzen? Oder geht es doch eher um die Schaffung von mehr Innovationskraft durch den Abbau von Existenzängsten und mehr „arbeitsfreier“ Zeit? Bei der nähren Auseinandersetzung mit den bereits vorhandenen Modellen sowie deren Vertretern, Befürwortern und Kritikern fällt auf, dass es aus allen politischen Spektren, von ganz links bis ganz rechts, Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens gibt.

Eine äußerst bekannte Variante des "Bürgergeldes" stellt das Modell von Thomas Straubhaar dar, welches stark von Dieter Althaus (CDU) repräsentiert wurde. Straubhaar spricht sich für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in Höhe des Existenzminimums, was ungefähr 600 Euro für Erwachsene und 300 Euro für Kinder entspricht, aus. Dieser Betrag soll um eine Gesundheitsgutschrift für die Krankenversicherung im Wert von 200 Euro ergänzt werden. Im Gegenzug sollen sämtliche Sozialleistungen wie die gesetzliche Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung sowie Arbeitslosengeld II, aber auch Wohn- und Kindergeld abgeschafft werden. Der Entwurf sieht vor, dass bei Bedarf zusätzlich individuelle Leistungen beantragt werden können. Durch die Zusammenführung der meisten Transferleistungen soll eine bürokratische Vereinfachung herbeigeführt werden. Die Finanzierung soll zum einen durch die dann entfallenden Kosten bisheriger Sozialleistungen, zum anderen durch eine Einkommenssteuer auf Kapitalerträge und Arbeitseinkommen gewährleistet werden. Straubhaar und Althaus sprechen sich außerdem für eine weitgehende Deregulierung des Arbeitsmarktes aus. Arbeitnehmerfreundliche Maßnahmen wie der Kündigungsschutz oder Flächentarifverträge sollen dann zukünftig individuell und betrieblich geregelt werden.

Diesem äußerst wirtschaftsfreundlichen Ansatz steht, hinsichtlich der sozialpolitischen Grundannahmen, das Modell des emanzipatorischen Grundeinkommens gegenüber. Dieses wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen der Partei DIE LINKE propagiert. Hier lautet der Vorschlag, das Grundeinkommen an der Höhe des Volkseinkommens auszurichten. Die Finanzierung soll durch eine Grundeinkommensabgabe erfolgen. Die momentanen Sozialversicherungen sollen in eine solidarische Erwerbslosenversicherung sowie eine gesetzliche BürgerInnenversicherung umgewandelt werden. Desweiteren plädieren die Vertreter des emanzipatorischen Grundeinkommens für verbesserte Arbeitsbedingungen. Das Modell zielt auf die Umverteilung von Einkommen, sozialen Ausgleich und die Entfaltung emanzipatorischer Effekte ab.

Als drittes häufig diskutiertes Modell lässt sich das Grundeinkommen nach dem Verständnis von dm-Gründer Götz Werner anführen. Werner spricht sich für die Umgestaltung des Steuersystems aus. Er ist der Meinung, dass nicht Einkommen, sondern Ausgaben und Konsum besteuert werden sollten. Wenn die Konsumsteuer die Einkommenssteuer ersetzt, stellt sich jedoch die Frage nach der Sicherung eines Existenzminimums, welches bisher durch den Freibetrag in der Einkommenssteuer geschützt wurde. Daher soll das Grundeinkommen, beispielhaft in Höhe von 1000 Euro, vor Armut schützen und die soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichern. Im Gegensatz zum vorigen Modell stellt Werner sozialen Ausgleich nicht in den Fokus seiner Überlegungen. Er ist der Meinung, dass Unternehmer ohnehin effektiv keine Steuern zahlen, da Steuern, Sozialabgaben und Personalkosten in die Preise mit einberechnet werden und demnach vom Käufer bezahlt werden.

Die Gemeinsamkeit all dieser Modelle und Ansätze liegt in ihrer revolutionären Bedeutung für unser bisheriges Sozialstaatsystem. Ihre Umsetzung würde mit einer kaum vorhersehbaren Umwälzung gesellschaftlicher und politischer Aspekte einhergehen. Trotz zahlreicher Feldexperimente und wissenschaftlicher Analysen können nicht alle Auswirkungen mit ihren tatsächlichen Konsequenzen vorhergesagt werden. Es bleibt in gewisser Weise ein Sprung ins Ungewisse. Daher stellt sich die Frage, ob es sich angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen lohnt, die Risiken einzugehen.

Was spricht für und was gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens?

Die Chancen einer Umsetzung des bedingungslosen Grundeinkommens liegen beispielsweise in der Reduzierung von Stress und Ängsten durch die Sicherung einer Existenzgrundlage. Dies könnte zur Senkung von psychischen, durch Druck und Belastung verursachten Erkrankungen wie Burnout führen. Ein weiterer psychischer Faktor wäre der Wegfall von Stigmatisierungen von Sozialhilfeempfängern. Durch die Sicherung einer existenziellen Grundlage könnte, unter Berücksichtigung sozialer Gerechtigkeitsannahmen, die Schere zwischen Arm und Reich verringert werden. Einige Modelle sehen jedoch keine Mechanismen vor, um beispielsweise kranke oder alte Menschen zu schützen. Erhöhte Ausgaben aufgrund der Inanspruchnahme von medizinischen Dienst- oder Pflegeleistungen könnten wohl kaum durch den „normalen“ Satz des bedingungslosen Grundeinkommens gedeckt werden. Daher ist es notwendig, bei der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen auch die mögliche Beibehaltung des Versicherungsgedankens in Betracht zu ziehen. Werden solche Faktoren berücksichtigt, könnte das bedingungslose Grundeinkommen die gesellschaftliche und soziale Teilhabe aller sichern. Darüber hinaus könnte eine finanzielle Absicherung mehr Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, den Zugang zu einem höheren Bildungsabschluss und mehr Selbstverwirklichung ermöglichen. Die mögliche Zunahme von sozialer Mobilität und Chancengleichheit stellt demnach ein wichtiges Argument für das bedingungslose Grundeinkommen dar.

Kritiker stellen jedoch in Frage, ob das bedingungslose Grundeinkommen tatsächlich zu mehr Chancengleichheit führen würde oder ob sich soziale Unterschiede nicht sogar weiter verfestigen würden. Hierbei werden häufig die unterschiedlichen Mietpreise in urbanen und eher ländlichen Gegenden angeführt. Da das bedingungslose Grundeinkommen für alle gleich wäre und keine Berücksichtigung der strukturellen bzw. finanziellen Voraussetzungen der jeweiligen Wohngegenden vorsieht, könnte dies zu einer Verdrängung von finanziell schlechter gestellten Menschen aus den Städten führen. Jedoch findet diese Entwicklung ja bereits statt, außerdem haben viele weitere „Fehler“ des aktuellen Systems reale Auswirkungen, beispielsweise für Alleinerziehende. Durch gesellschaftliche Entwicklungen wie den demografischen Wandel ist die zukünftige Finanzierbarkeit unseres heutigen Sozialstaats ohnehin in Frage gestellt. Für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens spricht außerdem die Senkung des Bürokratieaufwands. Eine gelingende Umsetzung könnte dazu führen, dass ein Teil der Bevölkerung eine Vollbeschäftigung nicht mehr als erstrebenswert erachtet und die gewonnene Zeit für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Fragen bzw. mehr Engagement ausfüllt. Jedoch bleiben noch viele Fragen unbeantwortet, wie beispielsweise die Frage, wer alles das bedingungslose Grundeinkommen erhalten soll? Nur deutsche Staatsbürger oder alle, die in Deutschland wohnen? Welche Auswirkungen würde der Wegfall aller Unternehmenssteuern auf den internationalen Handel haben? Welche unvorhersehbare Risiken könnte es geben?

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