Elisabeth K. und das Versagen von DFB und Bundesregierung

Am 8. März 1977 wird die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann in Buenos Aires von der Militärpolizei verschleppt und im Gefangenenlager El Vesubio über mehrere Tage gefoltert. Man wirft ihr vor, Teil einer linksextremistischen Terrorgruppe zu sein, die gegen die im Vorjahr durch einen Putsch an die Macht gekommenen Militärdiktatur von General Jorge Videla mit Gewalt vorgehen würde. Nach über zwei Monaten in Gefangenschaft wird sie am 24. Mai 1977 tot aufgefunden. Die argentinische Presse berichtet am folgenden Tag: "16 Aufrührer in Monte Grande erschossen, bei einem Treffen überrascht."

Dass die junge Frau aus Gelsenkirchen nicht Teil einer Terrorzelle war und dieses „Treffen“ von der Militärpolizei gestellt wurde, um die 16 Menschen skrupellos zu erschießen, wissen zu diesem Zeitpunkt nur die wenigsten. Die definitiv links orientierte junge Aktivistin war zwar Teil einer Gruppe, die sich gegen die Militärdiktatur organisierte, aber tat dies ausschließlich auf friedliche Art und Weise. Unter anderem fälschte sie Papiere, mit denen andere politisch Verfolgte das Land verlassen konnten, und arbeitete als freiwillige Helferin in einem Slum in Buenos Aires.

Wer vom Verschwinden von Elisabeth Käsemann bereits lange vor ihrem Tod wusste, war die Bundesrepublik Deutschland. Kurz nach Elisabeth Käsemann wurde auch ihre englische Freundin Diana Austin-Houston in das Lager gebracht. Die britische Regierung konnte allerdings relativ zügig die Freilassung erzwingen und Miss Austin-Houston berichtet sofort nach ihrer Freilassung über die Entführung ihrer Freundin. Sie sagte aus, benachrichtigte die Familie Käsemann und sprach sich öffentlich für ihre Freundin aus.

Doch die deutsche Regierung tat nichts. Dem damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher wird nachgesagt, er habe sich lediglich mit den Worten „Ach, das Mädchen Käsemann“ dazu geäußert. Die Regierung verkündete zwar, man würde sich um den Fall kümmern, doch in Wahrheit tat sich nur wenig. Es war einfacher, den argentinischen Aussagen Glauben zu schenken, sie sei eine linke Terroristin, und der ansässige Botschafter zu dieser Zeit in Buenos Aires, Jörg Kastl, war auch kurz vor seinem Tod 2014 noch der Meinung, Elisabeth Käsemann wäre „auch bereit gewesen, Bomben zu werfen“.

Es gibt einen weiteren untätigen Akteur im Fall der jungen Aktivistin. Der Deutsche Fußball Bund unter der Leitung von Hermann Neuberger. Nur wenige Tage nach dem Mord an Elisabeth Käsemann, am 5. Juni 1977, war die DFB-Auswahl (häufig als "deutsche Nationalmannschaft" fehlbezeichnet) als amtierender Weltmeister zu Gast in Buenos Aires, um ein Freundschaftsspiel gegen die argentinische Auswahl zu bestreiten. Dieses Spiel war Teil einer Werbekampagne für die anstehende WM 1978 in Argentinien.

Es wäre ein leichtes gewesen, von Seiten des DFB die Freilassung von Elisabeth Käsemann zu fordern, denn für das argentinische Regime wäre es womöglich deutlich wichtiger gewesen, dieses Spiel zu bestreiten, als Elisabeth Käsemann weiterhin festzuhalten. Doch auch der DFB blieb tatenlos und Präsident Neuberger entzog sich der Verantwortung mit der Begründung, man würde sich nach der Regierung und dem Außenministerium richten.

Der DFB hätte seine "politische" Macht nutzen können, Elisabeth Käsemanns Leben zu retten. Aber auch nachdem bekannt wurde, dass es bereits zu spät war, flog der DFB lieber nach Argentinien und sah keinen Grund, die Reise abzusagen. Den Nationalspielern wurde der Tod von Elisabeth Käsemann bis nach dem Spiel vorenthalten.

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